Eru, der Eine, auch Ilúvatar genannt, erschuf vor allem anderen die Ainur. Sie waren die Kinder seiner Gedanken. Er sprach zu ihnen und er lehrte sie verschiedene Melodien. Anfänglich sang jeder für sich, doch schon bald begannen sie sich zuzuhören und zu harmonieren. Ilúvatar lehrte sie nun eine große Melodie. Gemeinsam sollten sie daraus eine große Musik schaffen, wobei jeder einzelne die Vorgabe seinen Kräften entsprechend ausführen sollte. Als die Ainur darauf zu singen begannen und die Musik zum ersten Mal ertönte, war die Leere, die Ilúvatars Hallen umgab, nicht länger leer. Ilúvatar gefiel die Musik, da sie ohne Fehler war.
Melkor, der mächtigste Ainur, dachte sich jedoch eigene Töne aus, die nicht zur Melodie passten. Er strebte nach mehr Macht, wollte selber Dinge erschaffen und darüber gebieten. Melkors Misstöne begannen die Harmonie immer mehr zu stören und Chaos entstand. Ilúvatar musste eingreifen und eine neue Melodie anstimmen. Dies blieb jedoch ohne Wirkung, da sich die Misstöne dagegen erhoben und schlussendlich bestehen blieben. Viele Ainur begannen nun zu verstummen und Melkor gewann die Vorherrschaft. Erneut musste Ilúvatar eingreifen. Diesmal ertönte eine neue Melodie, die nicht zu übertönen war. Jedoch blieben zwei Lieder bestehen, die uneins waren und sich gegenseitig bekämpften. Dieser Kampf war so heftig, dass die Hallen erschüttert wurden. Zum dritten Mal griff Ilúvatar nun ein: Mit einem einzigen Akkord beendete er die Musik.
Nun sprach Ilúvatar zu den Ainur und zeigte ihnen, was ihr Gesang geschaffen hatte. Sie verließen die Hallen und begaben sich in die Leere. Dort zeigte er ihnen das Abbild einer neuen Welt, die Arda genannt wurde. Jeder Ainur hatte mit seinem Gesang dazu beigetragen.
Da die Ainur diese Welt geschaffen hatten, blieb ihnen nichts darin verborgen. Es gab jedoch Dinge, die nur Ilúvatar selbst kannte: So sollte Arda von den Kindern Ilúvatars, den Elben und Menschen, bewohnt werden. Die Schönheit Ardas faszinierte viele der mächtigsten Ainur. Besonders Melkor, der von Ilúvatar für seine Taten gescholten worden war und fortan einen geheimen Zorn hegte, begehrte Arda. Er wollte deren zukünftige Bewohner unterwerfen und über deren Willen gebieten. Andere Ainur erfreuten sich an Arda: Ulmo nahm sich des Wassers an, Manwe, der edelste Ainur, verstand sich auf die Geschicke der Winde und Aule, ein geschickter Handwerker, erfreute sich an den Schätzen der Erde. Ulmo und Manwe verband eine tiefe Freundschaft, sie waren seit jeher Verbündete und treue Diener Ilúvatars.
Das Bild Ardas wurde nun entrückt und blieb den Ainur fortan verborgen. Die Schönheit dieser Welt ging ihnen jedoch nicht mehr aus dem Sinn und beherrschte ihr Denken. Ilúvatar kannte ihren Wunsch und sprach: Ea! Es sei! Er sandte die unverlöschliche Flamme, die bereits die Ainur angefacht hatte, in die Leere hinaus. Plötzlich erblickten die Ainur in der Ferne ein Licht: Ea, die Welt, war erschaffen worden. Den Ainur durften nun in die Welt hinabsteigen. Die Kräfte derjenigen, die nicht bei Ilúvatar blieben, wurden an die Welt gebunden. Sie wurden von nun an Valar, Mächte der Welt, genannt.
Als die Valar Ea betraten, stellten sie fest, dass alles noch formlos und leer war. Es lag nun an ihnen die Welt zu formen. Sie sollten Arda für die Kinder Ilúvatars vorbereiten. Bei der Arbeit, die sich über unfassbar lange Zeiträume erstreckte, taten sich besonders Manwe, Aule und Ulmo hervor. Melkor wiederum mischte sich überall ein und versuchte seine eigenen Pläne umzusetzen. Er entfachte große Brände und versuchte schließlich Arda an sich zu reißen. Da rief Manwe zahlreiche Valar herbei, die ihm halfen Melkor Einhalt zu gebieten. Dieser zog sich darauf zurück.
Darauf nahmen die Valar Gestalt an. Hierfür wählten sie das Aussehen der Kinder Ilúvatars. Dies erweckte den Neid Melkors und er nahm nun selbst Gestalt an. Er trug eine qualmende Feuerkrone und hüllte sich in Eis. Seine Erscheinung war dunkel und entsetzlich. Als Melkor Arda betrat, brach die erste Schlacht um die Herrschaft Ardas aus. Alles, was die Valar errichteten, wurde von Melkor zerstört und verdorben. Schlussendlich waren ihre Bemühungen jedoch nicht vergebens: Trotz der Rückschläge nahm ihr Werk langsam Gestalt an und festigte sich zusehends. So kam es schließlich, dass Arda für die Kinder Ilúvatars errichtet wurde.
Folgt...
Iluvatar unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Eä komme.
Dein Ainulindale geschehe,
wie in Valinor, so auf Mittelerde.
Unser tägliches Lembas gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von Morgoths Brut.
Denn dein ist das Reich und die Kraft
und die Herrlichkeit in Arda.
Amen.
Quenya
Iluvatar sáraiva maita,
lian maaressë tyelde.
Tye Eä cenuvë.
Tyen Ainulindalëna ná cennë,
nan i Valinor, ná tano Menelde.
Mára lambar engëan met lissë simpa i fárea.
Ar avatyaralyë mertassen i caita ná,
nan ammillo avatyaro i caitëar.
Ar ëar avatyaralyë mertassë ulca,
nai erëalyë mertalë Morgotho hrávan.
Ná-merya tye ve anwa ar lócë ar hrestya i Ardan.
Amen.
Eru ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich im grünen Auenland
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf heller Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Mordor,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Klang und Gesang trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Athelas
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des HERRN immerdar.
Ach Herr, wie zahlreich sind meine Feinde! Viele erheben sich gegen uns;
viele sagen von meiner Seele: »Sie hat keine Hilfe bei Ilúvatar.«
Aber du, Eru, bist ein Schild um mich, bist mein Licht und der mein Haupt emporhebt.
Ich rufe mit meiner Stimme zu Eru, und er erhört mich von seinem heiligen Thron.
Ich legte mich nieder und schlief; ich bin wieder erwacht, denn Ilúvatar hält mich.
Wir fürchten uns nicht vor der Ausbrut Morgoths, die sich ringsum gegen uns gelagert hat.
Steh auf, o Eru! Hilf mir! Denn du schlägst alle meine Feinde auf den Kinnbacken, zerbrichst die Zähne der Gottlosen.
Bei Ilúvatar ist die Rettung. Dein Segen sei über deinen Kindern!
Ilúvatar, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name auf ganz Arda, der du deine Hoheit über die Melodie gesetzt hast!
Aus dem Mund deiner Kinder hast du ein Lob bereitet um deiner Bedränger willen, um den Feind und den Rachgierigen zum Schweigen zu bringen.
Wenn ich dein Ea betrachte, das Werk deiner Finger, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast:
Was ist der Elb, daß du an ihn gedenkst, und der Mensch, daß du auf ihn achtest?
Du hast uns ein wenig niedriger gemacht als die Ainur; mit Herrlichkeit und Ehre hast du uns gekrönt.
Du hast uns zum Herrscher über die Werke ihrer Hände gemacht; alles hast du unter unsere Füße gelegt:
Schafe und Rinder allesamt, dazu auch die Tiere des Feldes;
die Vögel des Himmels und die Fische im Meer, alles, was die Pfade der Meere Ulmos durchzieht.
Eru, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name auf ganz Arda!
Faulheit
Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege an und werde weise:
Obwohl sie keinen Anführer hat, weder Vorsteher noch Herrscher,
bereitet sie dennoch im Sommer ihr Brot und sammelt in der Erntezeit ihre Speise.
Wie lange willst du liegenbleiben, du Fauler? Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf?
»Ein wenig schlafen, ein wenig schlummern, ein wenig die Hände in den Schoß legen, um zu ruhen«:
so holt dich die Armut ein wie ein Läufer, und der Mangel wie ein bewaffneter Mann!
Abhängigkeit
Kinder Erus, habt ihr euch für euren Nächsten verbürgt, für einen Fremden euch durch einen Handschlag verpflichtet,
seid ihr durch ein mündliches Versprechen gebunden, gefangen durch die Worte eurer Münder,
so tuet folgendes: Rette dich, denn du bist in die Hand deines Nächsten geraten! Darum geh hin, wirf dich vor ihm nieder und bestürme deinen Nächsten.
Gönne deinen Augen keinen Schlaf und deinen Lidern keinen Schlummer!
Rette dich aus seiner Hand wie eine Gazelle und wie ein Vogel aus der Hand des Vogelstellers!
Falschheit
Ein Taugenichts, ein nichtswürdiger ist, wer umhergeht mit trügerischen Reden
und dabei mit seinen Augen blinzelt, mit seinen Füßen Zeichen gibt und mit seinen Fingern deutet.
Verkehrtheit ist in seinem Herzen, er schmiedet Böses; allezeit streut er Zwietracht aus.
Darum wird sein Verderben plötzlich über ihn kommen; augenblicklich wird er zerschmettert werden, unrettbar.
Diese sechs haßt Eru, und sieben sind seiner Seele ein Greuel:
stolze Augen, eine falsche Zunge,
Hände, die unschuldiges Blut vergießen,
ein Herz, das böse Pläne schmiedet,
Füße, die schnell zum Bösen laufen,
ein falscher Zeuge, der Lügen ausspricht,
und einer, der Zwietracht sät zwischen Brüdern.
So empfange Iluvatars segen und welcher dich fortan behütet;
Iluvatar lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
Iluvatar hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Ilúvatar aber wußte, was geschah, und in der Stunde, als Aule sein Werk vollbracht hatte und sich freute und eben anfing, die Zwerge in der Sprache zu unterrichten, die er für sie erdacht hatte, da sprach Ilúvatar zu ihm; und Aule hörte seine Stimme und war still. Und Ilúvatars Stimme sagte zu ihm:
»Warum hast du dieses getan? Warum unternimmst du ein Werk, wissend, daß es über deine Kraft und Befugnis geht? Denn von mir hast du als Gabe nur dein eigenes Sein und kein andres mehr verliehen; deshalb leben die Geschöpfe deiner Kunst nur aus deinem Sein; sie bewegen sich, wenn du gedenkst, sie zu bewegen, und wenn dein Gedenken anderswo weilt, stehen sie still. Ist es das, was du begehrst?«
Da antwortete Aule: »Nicht solche Herrschaft begehrte ich. Ich begehrte Dinge, die anders wären als ich, um sie zu lieben und zu unterweisen, so daß auch sie die Schönheit von Ea erkennen mögen, die du hervorgebracht. Denn mir schien, daß Platz ist in Arda für viele Dinge, die sich darinnen erfreuen könnten, und doch ist sie zum größten Teile noch leer und stumm. Und in meiner Ungeduld bin ich in Wahn verfallen. Doch das Erschaffen von Dingen liegt mir am Herzen, seit ich selber erschaffen wurde durch dich; und das unverständige Kind, welches spielt, was sein Vater tut, handelt nicht zum Spott, sondern weil es der Sohn seines Vaters ist. Doch was soll ich jetzt tun, daß du mir nicht immerdar zürnest? Als Kind meines Vaters opfere ich dir diese Dinge, das Werk der Hände, die du geschaffen. Tu damit, wie du willst. Doch sollte ich nicht besser dies Werk meiner Anmaßung vernichten?«
Da nahm Aule einen großen Hammer, um die Zwerge zu zerschmettern, und er weinte. Ilúvatar aber hatte Mitleid mit Aule und seinem bescheidenen Wunsche; und die Zwerge wichen dem Hammer aus und fürchteten sich; und sie neigten die Köpfe und baten um Gnade. Und Ilúvatars Stimme sagte zu Aule: »Angenommen habe ich dein Opfer, sobald es gegeben war. Doch sieh nun, wie diese Dinge eignes Leben haben, und höre, wie sie sprechen mit eigner Stimme! Wenn anders, so wären sie nicht gewichen vor deinem Schlag oder vor allem, was du befiehlst.«
Da warf Aule den Hammer hin und war froh, und er dankte Ilúvatar und sagte: »Möge Eru mein Werk segnen und verbessern!«
Doch abermals sprach Ilúvatar und sagte: »So wie ich zu Anbeginn der Welt die Gedanken der Ainur wahrgemacht, so habe ich jetzt dein Begehren angenommen und ihm in der Welt einen Platz gewiesen; doch sonst will ich nichts bessern an deinem Werk, und wie du es gemacht, so soll es sein. Und eines will ich nicht leiden: Daß diese hier vor den Erstgeborenen meines Planes kommen, noch darf deine Ungeduld belohnt werden. Sie sollen nun im Dunkel unter dem Stein schlafen und nicht hervorkommen, solange nicht die Erstgeborenen auf Erden erwacht sind; und bis zu dem Tage sollst du warten und sollen sie warten, mag es auch lange scheinen. Wenn aber die Zeit da ist, werde ich sie wecken, und sie sollen wie Kinder zu dir sein; und oft wird es Streit geben zwischen den deinen und den meinen, zwischen meinen angenommenen und meinen erwählten Kindern.«